Biografie

Henriette (Paula Henriette/Henny) Weil, geb. Strauß
geboren am 1.4.1901 in Regensburg
Familienstand: verheiratet
Opfergruppe(n): Als Jüdinnen und Juden Verfolgte
Deportiert am 4.4.1942 nach Piaski
Schicksal: 'ermordet (in Folge einer Deportation)'
Biografie:
Henriette Weil bemühte sich im Dezember 1938 vergeblich um Emigration in die Schweiz. Ihr Ehemann emigrierte im September 1938 über die Schweiz und England in die USA, er starb im Januar 1965 in New Jersey. Sie mußte Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof leisten. Am 31.03.1942, einen Tag vor ihrem 41. Geburtstag, schrieb sie aus der Knorrstraße 148 einen Brief an ihre Eltern und die Schwester Hanni Kritzer: "Meine geliebten armen Eltern, meine liebe gute Hanni! Ich bin reisefertig und abholbereit. Ich will Euch noch ein herzliches Lebewohl sagen und Euch bitten, Euch keine Sorgen um mich zu machen. Ich muß mit den anderen gehen und muß das gemeinsame Schicksal ertragen. Ich werde gesund bleiben, weil ich will, und arbeiten kann ich ja! Es ist selbstverständlich, daß ich jede Gelegenheit benutzen werde, Euch sobald als möglich Nachricht zukommen zu lassen. Wir hätten alle ein anderes Los verdient. Ihr in Eurem Alter und wir in unseren besten Jahren. Meine Gedanken werden Tag und Nacht bei Euch und meinem verlassenen Schwiegervater sein. Ich wünsche Euch von tiefsten Herzen alles alles Gute! Wie gerne hätte ich Euch ein letztes Mal besucht, aber es ist wirklich für beide Teile besser so. Seid innigst umarmt und geküßt von Euerer tapferen Henny." Am Tag darauf schrieb sie an ihre Schwester: "Liebe Hanni! Seit Dienstag sind wir nun hier - viele, fast alle guten Bekannten sind dabei und auch neue - die alle reizend zu mir sind. Samstag sehr früh reisen wir - schöne Ostern, so schön wie der Geburtstag war - aber es muß eben sein. ... Hoffentlich geht es den lieben Eltern auch soweit ordentlich. ... Lebt wohl! Eure Henny" Am 18.04.1942 erhielt Henny Kritzer das erste Lebenszeichen ihrer deportierten Schwester aus Piaski, worin diese um eingeschriebene Päckchen bat. Am Sonntag, 26.04.1942 antwortete sie: "Meine liebe Hanni! Soeben hat mir Dr. Beer Deine Karte ausgehändigt und ich habe mich unsagbar gefreut, von Dir Nachricht zu erhalten und zu hören, daß Du mit den Kindern (und den lieben Eltern, von denen ich mit meinem Schwiegervater letzten Freitag eine Karte bekam) soweit gesund bist. Ich bin auch gesund, nur leide ich an größter Sehnsucht, aber dafür gibt es leider keine Medizin. Ich bin natürlich sehr dankbar für Päckchen und danke Dir im voraus herzlichst dafür. ... Zum Beispiel kann geschickt werden: Grieß, Knäckebrot, Haferflocken, Kakao, Kaffee, deutscher Tee, eventuell Mehl, Suppenwürfel, Zucker, Bonbon, Traubenzucker, Seifenpulver ... Schreibe bald wieder mit Antwortkarte - die einzige Freude." Eine der letzten Karten schrieb Henriette Weil am 16.06.1942 aus der "Kolonia Adampol" (von April 1942 bis Sommer 1943 Zwangsarbeitslager für Juden ca. 15 km nordwestlich von Sobibor) "... Ich könnte notwendig Strümpfe, Wäsche, Seife oder -pulver, Schürze brauchen. Nur das Geld zum Auslösen? Meine Gedanken sind immer bei Euch und in der nächsten Zukunft. Die unbeschreibliche Sehnsucht, ich höre einen Zug! Landschaftlich hier sehr schön. Lebt wohl! Wann auf Wiedersehen?" Danach erhielt ihre Schwester noch ein oder zwei Karten. Ab Dezember 1942 blieben die Bestätigungen der Pakete aus und Henny Kritzer reklamierte bei der Post. Ein Postbeamter gab Hanni Kritzer den Rat, nichts mehr zu schicken. (Karten zitiert nach dem Manuskript der BR-Sendung v. v. 07.01.1989 von Peter Kritzer: "Reisefertig und abholbereit" Eine Familliengeschichte aus München).