Geschichte

Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof

Deutsche Arbeiterinnen in der Flachsröste Lohhof um 1938, © Stadtarchiv München, Foto: Kurt Vahlensieck

In der Flachsröste Lohhof wurden zunächst Frauen aus Belgien und französische Kriegsgefangene eingesetzt. Ab Sommer 1941 mussten dort über 200 Münchner Jüdinnen und Juden Zwangsarbeit leisten. Das „Jüdische Arbeitskommando Lohhof“ war eines der größten und gefürchtetsten Zwangsarbeitslager für Jüdinnen und Juden im Großraum München, in dem die Nationalsozialisten vor allem junge Frauen zur harten körperlichen Arbeit zwangen.

Ein Teil von ihnen lebte auf dem Betriebsgelände in einer Baracke, unter ihnen auch 68 polnische Jüdinnen aus dem Ghetto Łódź. Als die Jüdinnen und Juden zwischen Ende 1941 und Sommer 1942 sukzessive deportiert wurden, ersetzte man sie durch Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine.

Der Alltag der Frauen und Männer war geprägt von schwerer körperlicher Arbeit, die bei jeder Witterung auf den Feldern sowie in der staubigen Fabrik und unter ständiger Kontrolle des betriebseigenen Personals stattfand. Immer wieder kam es dabei auch zu Übergriffen und Misshandlungen durch die Vorarbeiter.

Bei Kriegsende zerstörten amerikanische Truppen im Zuge der Befreiung Münchens die Flachsröste Lohhof, in der sich eine SS-Division verschanzt hatte und erbitterten Widerstand leistete. Dabei verbrannten sämtliche Firmenunterlagen, zu denen auch die Personalkartei gehörte. Erst durch aufwendige Recherchen gelang es mehr als 60 Jahre später, die Namen eines großen Teils der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der Flachsröste Lohhof zu rekonstruieren

Deportation der Münchner Juden am 20. November 1941, © Stadtarchiv München

Die Kriegswirtschaft unter dem NS-Regime

Seit ihrer Machtübernahme 1933 bereiteten die Nationalsozialisten einen neuen Krieg vor. Damit Deutschland im Kriegsfall möglichst wenig von Importen abhängig war, förderte die NS-Regierung den Anbau einheimischer Rohstoffe. Zu Ihnen zählt auch der Flachs, aus dessen Fasern Leinen gewonnen wurde. Leinstoffe waren nicht nur in der Textilbranche, sondern auch für die Kriegsproduktion wichtig. Aus ihnen wurden etwa Uniformen, Rucksäcke, Zelte und Seile hergestellt.

Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der 2. Weltkrieg. Da die meisten Männer an der Front standen, fehlten in Industrie und Landwirtschaft immer mehr Arbeitskräfte.

Lageplan der Flachsröste Lohhof ca. 1937, © Stadtarchiv München

Das System Zwangsarbeit

Den Arbeitskräftemangel versuchten die Nationalsozialisten durch Arbeitszwang auszugleichen. Ab 1938 setzten sie Jüdinnen und Juden, wenig später auch Kriegsgefangene in geschlossenen Lagern und Arbeitskommandos ein. Zusätzlich verschleppten sie aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten hunderttausende Frauen, Männer und Kinder mit brutaler Gewalt nach Deutschland zur Zwangsarbeit.

Die Unterbringung in den Lagern und die Versorgung mit Lebensmitteln war meist sehr schlecht. Jüdinnen und Juden mussten einen gelben Stern an ihrer Kleidung anbringen. Auch Polinnen und Polen und die sogenannten „Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter“ zwang man, entsprechende Symbole zu tragen. Jeder Kontakt mit der deutschen Bevölkerung war streng verboten. Schon bei geringen Vergehen drohten Misshandlung, Haft oder sogar die Todesstrafe. Viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter überlebten die harten Arbeits- und Lebensbedingungen nicht und starben fern ihrer Heimat.

Literaturhinweis

Maximilian Strnad, Flachs für das Reich - Das jüdische Zwangsarbeitslager „Flachsröste Lohhof“ bei München, Volk Verlag, München 2013 (ISBN: 978-3-86222-116-5).

"Flachs für das Reich"

Das jüdische Zwangsarbeitslager „Flachsröste Lohhof“ bei München

von Maximilian Strnad

 

 

Weiterführende Literatur

  • Bauer, Richard/Brenner, Michael (Hg.): Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München 2006.
  • Stefanie Hajak, Jürgen Zarusky (Hg.): München und der Nationalsozialismus. Menschen. Orte. Strukturen. Berlin 2008.
  • Heusler, Andreas: Ausländereinsatz. Zwangsarbeit für die Münchner Kriegswirtschaft. München 1996.
  • Erich Kasberger, Marita Kraus (Hg.), Else Behrend- Rosenfeld und Siegfried Rosenfeld. Leben in zwei Welten. Tagebücher eines jüdischen Paares in Deutschland und im Exil, München 2011.
  • Stadtarchiv München (Hg.), „...verzogen, unbekannt wohin“. Die erste Deportation von Münchner Juden im November 1941, Zürich 2000.
  • Maximilian Strnad, Zwischenstation „Judensiedlung“. Verfolgung und Deportation der jüdischen Münchner 1941–1945, München 2009.
  • Elsbeth Bösl, Nicole Kramer, Stephanie Linsinger: Die vielen Gesichter der Zwangsarbeit. „Ausländereinsatz im Landkreis München 1939-1945. München 2005.