Konzept

Es ist heute nur noch wenigen Menschen bekannt, dass in Lohhof eine Flachsröste stand, bei der in der NS-Zeit vor allem jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt waren. Die Künstlerin Kirsten Zeitz und der Historiker Dr. Maximilian Strnad haben einen dreiteiligen Erinnerungsort geschaffen, um ihre Leidensgeschichte wieder ins öffentliche Bewusstsein zu holen.

Sehen, erfahren, verstehen

Alle drei Teile des Erinnerungsortes sind an historischen Orten ausgerichtet und bieten damit konkrete Ansatzpunkte für die Vermittlung sowohl der historischen Ereignisse als auch individueller Lebensgeschichten. Das Denkmal am Bahnhof nimmt die Besucherinnen und Besucher dort in Empfang, wo einst die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mit der Bahn ankamen. Auf dem Weg von dort zur Flachsröste Lohhof sind ihre Namen eingeschrieben. In Sichtweite der Überreste der ehemaligen Fabrik eröffnet der Lernort mit seiner digitalen Rekonstruktion der Flachsröste Lohhof Zugang zu einer virtuelle Zeitreise.

Blaue Blüten, Porträtstelen, Namensband

Das Werk von Kirsten Zeitz ist sowohl eine Hommage an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der Flachröste Lohhof als auch Ausdruck ihrer künstlerische Widerständigkeit mit der sie gegen das Vergessen und für eine kontinuierliche Aktualisierung der Vergangenheit arbeitet. Dabei setzt sie auf Gegensätze: Die filigrane Schönheit des Leins und die zarten Linien der Porträtsilhouetten stellt sie dem rohen und brachialen Charakter, der von ihr verwendeten Materialien Beton und Stahl gegenüber und baut so ein Spannungsfeld zwischen den schier unbegreiflichen NS-Verbrechen und der Empathie auf, die sie dem Leid der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter entgegenbringt. Sie will mit ihrer Arbeit die schrecklichen Verbrechen mit allen Sinnen erfahrbar machen und dabei zeigen, dass die Verfolgten jenseits ihres Schicksals als Verfolgte auch Individuen waren.

Entstehungsgeschichte

Als die Stadt Unterschleißheim auf Initiative des damaligen Ortsarchivars Wolfgang Christoph im Juli 2010 das Forschungsprojekt »NS-Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof» auf den Weg brachte, ahnte niemand, dass daraus ein Denkmal entstehen würde.

Nachdem das aus den Recherchen des Historikers Dr. Maximilian Strnad hervorgegangene Buch im Herbst 2013 erschienen war, mehrten sich die Stimmen im Kulturausschuss, die sich eine dauerhafte Sichtbarmachung des Themas in der Stadtgesellschaft wünschten. Mit der Ausarbeitung eines Konzeptes wurde erneut Dr. Maximilian Strnad betreut.

Die Beteiligten waren sich schnell darüber einig, dass die örtlichen Schulen eingebunden werden sollten und so entstanden an der FOSBOS eine Ausstellung und am COG ein Actionbound zur Flachsröste Lohhof. 

Auch bei der Ausschreibung zur künstlerischen Umsetzung des dreiteiligen Konzeptes für einen Erinnerungsort sollten junge Menschen beteiligt werden, weshalb in Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste in München ein Wettbewerb durchgeführt wurde, bei dem sich im März 2019 die Künstlerin Kirsten Zeitz mit ihrem überzeugenden Entwurf durchsetzen konnte.

Neue Herausforderungen

Der Termin für die Einweihung im Herbst 2020 war bereits festgelegt, als die Corona-Pandemie ausbrach. Unerwartete Grundstücksfragen für das Areal, auf dem der Lernort entstehen sollte, machten zudem eine Umplanung nötig. Teile des Lernortes mussten in das Denkmal am Bahnhof integriert, für den Lernort eine digitale Alternativlösung gefunden werden. Die Neukonzeptionierung wird nicht verschwiegen. Der Lernort in seiner ursprünglich geplanten Form kann im virtuellen Lernort besichtigt werden. Nach insgesamt 13 Jahren des Wachsens und Werdens ist der Erinnerungsort NS-Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof nun Realität. Künftig wird er beim Stadtmuseum in einem eigenen Sachgebiet betreut.